Kennst du diese Meetings, in denen alle so energisch nicken, dass man fast den Eindruck hat, im Yoga-Kurs für Harmonie und Zustimmung zu sitzen? Niemand widerspricht, alle finden die Idee „super spannend“ – und zwei Monate später fragt sich das gleiche Team, wie man so kollektiv an der Realität vorbeiplanen konnte. Willkommen im charmanten Albtraum namens Groupthink.
Groupthink ist das psychologische Phänomen, bei dem Teams ihre Fähigkeit zum klaren Denken gegen ein bisschen Harmonie eintauschen. Klingt nett, ist aber eine tickende Zeitbombe für jede Führungskraft, die wirklich etwas bewegen will.
Wenn Harmonie zur Sabotage wird
Im Kern ist Groupthink nichts anderes als eine elegante Form der Selbsttäuschung. Menschen wollen dazugehören – das ist tief in uns verankert. Konflikte dagegen? Nervig. Unangenehm. Und schlecht fürs Teambild auf LinkedIn.
Also halten sich alle zurück, lächeln höflich und stimmen zu. Die Illusion von Einigkeit fühlt sich an wie Erfolg, ist aber oft nur ein gut gelauntes Scheitern in Zeitlupe.
Psychologisch passiert Folgendes:
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Das Streben nach Harmonie überlagert das Streben nach Wahrheit.
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Selbstzensur sorgt dafür, dass kritische Stimmen verstummen.
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Eine Illusion der Unfehlbarkeit entsteht – „Wir als Team können gar nicht falschliegen!“
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Abweichende Meinungen werden nicht diskutiert, sondern diskret ignoriert.
Das Ergebnis: Teams treffen Entscheidungen, die keiner mehr wirklich versteht, aber alle irgendwie „getragen“ haben.
Ein typisches Beispiel aus dem Führungsalltag
Stell dir vor, du leitest ein Projektteam. Im Meeting schlägst du eine neue Strategie vor. Kurze Stille. Dann das berühmte kollektive Nicken. Kein Widerspruch, keine kritische Nachfrage – klingt perfekt, oder?
Zwei Wochen später stellt sich heraus, dass dein Konzept wichtige Kundendaten übersehen hat. Niemand hat’s gesagt, weil „man dich ja nicht verunsichern wollte“.
Voilà – Groupthink in seiner reinsten Form. Freundlich, effizient und fatal.
Warum wir Groupthink unbewusst fördern
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Wir lieben Harmonie. Streit ist unbequem, und wer widerspricht, riskiert Unbeliebtheit.
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Führungskräfte senden subtile Signale. Ein kurzes Stirnrunzeln reicht, um Mitarbeitende zum Schweigen zu bringen.
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Zeitdruck tötet Diskussion. Wer ständig „schnelle Ergebnisse“ fordert, bekommt meist angepasste – nicht bessere – Entscheidungen.
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Teamkultur ist oft falsch verstanden. „Wir ziehen alle an einem Strang“ klingt gut, aber was, wenn der Strang in die falsche Richtung zeigt?
Wie du Groupthink erkennst
Achte auf diese Anzeichen:
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In Meetings gibt es kaum Widerspruch oder echte Diskussion.
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Kritik wird umformuliert in Sätze wie: „Ich sehe das ein bisschen anders, aber eigentlich hast du recht.“
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Entscheidungen fühlen sich zu glatt an – wie ein Kompromiss ohne Kanten.
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Externe Meinungen werden reflexartig abgewertet („Die kennen unsere Branche ja gar nicht“).
Wenn du das regelmäßig beobachtest: Herzlichen Glückwunsch, dein Team ist im „Kuschelkonsens“ angekommen.
5 Wege, Groupthink zu stoppen
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Frag nach dem Gegenteil. Statt „Sind wir uns einig?“ lieber: „Was spricht gegen diese Idee?“
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Verteile bewusst Widerspruch. Ernenn in jedem Meeting eine Person zum „Advocatus Diaboli“ – zuständig für kritisches Hinterfragen.
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Schütze Abweichler. Wer anders denkt, riskiert etwas. Wertschätze diese Haltung aktiv.
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Hol externe Stimmen rein. Eine Außenperspektive zerstört oft liebevoll gepflegte Betriebsblindheit.
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Reflektiere deine Wirkung. Führungskräfte unterschätzen, wie stark ihre Körpersprache Zustimmung erzwingt.
Was starke Führung wirklich zeigt
Echte Führung bedeutet nicht, dass dir alle zustimmen – sondern dass sie sich trauen, dir zu widersprechen.
Das braucht Mut, Vertrauen und eine klare Haltung: Diskussion ist kein Risiko, sondern Qualitätskontrolle.
Denn Einigkeit kann gefährlich sein, wenn sie auf Angst basiert. Und wenn du merkst, dass in deinem Team immer alle einer Meinung sind, dann hast du kein Alignment – du hast ein Alarmsignal.
Fazit
Ein bisschen Reibung ist wie Salz im Teamgericht: Ohne sie schmeckt alles fade.
Groupthink klingt nach Harmonie, führt aber zu Mittelmaß. Und Mittelmaß hat noch nie ein Unternehmen groß gemacht.
Also: Feier den Widerspruch. Such die Spannung. Und wenn alle nicken – frag dich, ob wirklich alle Lösungsorientiert denken und handeln.